Wie viel darf Bildung kosten?

Aus aktuellem privaten Anlass beschäftigen mich seit wenigen Wochen die Fragen: Wie viel darf Bildung eigentlich kosten? Wer übernimmt die Finanzierung? Wie können Wünsche und Anforderungen erfüllt werden? Bevor ich aber hier meine Gedanken äußere, folgt erst einmal eine kleine Erläuterung.

Mein jüngster Bruder (12 Jahre jung) wächst im Haushalt einer allein erziehenden bildungsnahen Altenpflegerin (50 Jahre) in Schleswig Holstein auf und er besucht die sechste Klasse.  Seit knapp einem halben Jahr scheint auch hoch im Norden angekommen zu sein, dass die Kommunikation via Internet schnell, einfach und papierlos (umweltschonend) funktioniert. So wurde beschlossen, dass u.a. Elternbriefe nur noch per Email an die Eltern versendet werden. Auch werden immer häufiger Hausaufgaben erteilt, die mit Hilfe des Internets zu lösen sind.

Was macht aber nun eine Familie, die aus verschiedenen – zum Teil nachvollziehbaren – Gründen weder Internet noch einen PC im Haushalt hat? Kann Schule eigentlich verlangen, dass sich Familien einen Internetanschluss sowie einen funktionsfähigen Computer mit allem Drum und Dran (Multifunktionsdrucker, Office Software etc.) anschaffen? Ist die technische Ausstattung wirklich die ausschlaggebende Voraussetzung für eine allgemein gültige gute Ausbildung? Welche Kompetenzen oder Befähigungen sind von grundsätzlicher Bedeutung?

Hier ein paar Zitate aus dem Schulgesetz Schlesswig Holsteins zur Aufgabe von Schule: (ähnliche Formulierungen sind in den Schulgesetzen aller Bundesländer zu finden)

Es ist die Aufgabe der Schule, die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten des jungen Menschen unter Wahrung des Gleichberechtigungsgebots zu entwickeln. Der Bildungsauftrag der Schule ist ausgerichtet an den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten, den sie begründenden christlichen und humanistischen Wertvorstellungen und an den Ideen der demokratischen, sozialen und liberalen Freiheitsbewegungen.

Die Schule soll Kenntnisse wirtschaftlicher und historischer Zusammenhänge vermitteln, Verständnis für Natur und Umwelt schaffen und die Bereitschaft wecken, an der Erhaltung der Lebensgrundlagen von Pflanzen, Tieren und Menschen mitzuwirken.

Die Schule soll die Offenheit des jungen Menschen gegenüber kultureller und religiöser Vielfalt, den Willen zur Völkerverständigung und die Friedensfähigkeit fördern. Sie soll den jungen Menschen befähigen, die Bedeutung der Heimat und der besonderen Verantwortung und Verpflichtung Deutschlands in einem gemeinsamen Europa sowie die Bedeutung einer gerechten Ordnung der Welt zu erfassen. Zum Bildungsauftrag der Schule gehört die Erziehung des jungen Menschen zur freien Selbstbestimmung in Achtung Andersdenkender, zum politischen und sozialen Handeln und zur Beteiligung an der Gestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft im Sinne der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Ich selbst bewege mich seit nun mittlerweile über sieben Jahren in der digitalen Welt, befasse mich mit den verschiedensten Themen rund um die Verbindung/ Verknüpfung von digitalen Angeboten, Werkzeugen im Unterricht. Die Chancen, die sich mit den Web 2.0-Angeboten ergeben, sind schier endlos und eröffnen neue Lernwege, bedingen aber auch auch neue Lernkonzepte. Einfach ist die Umsetzung aber nicht, denn viele Faktoren spielen eine wichtige Rolle, die das Gelingen digitaler Bildung beeinflussen.

Ein ganz wichtiger Faktor ist die Finanzierung der Ausstattung der Schulen als auch der Haushalte der Familien. Im gesamten bundesrepublikanischen Gebiet ist eine digitale Bewegung zu spüren. Ein sehr gutes Beispiel ist das Blog der Lernzellen. Hier werden die einzelnen Pilot- und Leuchtturmprojekte mit den digitalen Geräten und den Web-2.0-Technologien vorgestellt. Erkennbar ist, dass es entweder einzelne Lehrer oder Schulen sind, die ihren Unterricht umgestalten. Jedoch ist das nur möglich, weil das finanzielle Engagement aus den Fördervereinen oder privaten Händen gestemmt wird.

Natürlich kann man jetzt sagen, die Web-2.0-Tools, wie z.B. Blogs, Wikis, Podcast-Software etc., gibt es ja zu einem großen Teil gratis – das stimmt – aber die technische Ausstattung – sei es ein modernes Laptop, Headset, Mikrofon, Digitalkamera, Videokamera etc. – die ist nicht gratis. Hier müssen Schulen, Lehrer oder aber auch die Eltern tief in die Tasche greifen, damit überhaupt ein digitaler Unterricht stattfinden kann.

Aktuell ist in der Blogosphäre und der E-learning-Szene die Rede von OERMaterialien, mobilem Lernen via Apps (Augemented Reality) sowie das Lernen mit den Tablet-PCs (iPads oder Android-Geräten) die Rede. Überall hört man welche Vorteile diese Art und Weise des Unterrichtens und Lernens mit sich bringen. Das ist auch nicht von der Hand zu weisen.

ABER: Wer bestimmt eigentlich die Sinnhaftigkeit der Mediennutzung? Werden nicht durch solche Pilotprojekte Schüler und Schülerinnen ausgegrenzt, die nicht an diesen Schulen sind oder von eben solch innovativ fortschrittsgerichteten Lehrern unterrichtet werden? Werden nicht auch die Lernenden ausgegrenzt, die sich diese Geräte nicht leisten können? Wer macht sich darüber einmal Gedanken? oder wie ist es mit den Schulen, die gern ins digitale Zeitalter aufbrechen möchten, aber gar nicht das finanzielle Grundgerüst haben oder gar von der Verwaltung ausgebremst werden?

Wenn man sich diese digitale Welt einfach nicht mehr wegdenken kann und der Umgang mit den Geräten (PC, Tablet-PC, Smartphone) von so hoher Relevanz ist, warum wird dann in Deutschland nicht flächendeckend dafür gesorgt, dass jeder Schüler auch wirklich den Zugang bekommt?

Hier schließe ich kurz den Bogen zu meiner Familie: Da ich mich meinem Bruder und meiner Mama verantwortlich gegenüber fühle, unterstütze ich die beiden. Ich möchte nicht, dass mein Bruder eine Bildungschance verpasst. Deshalb bekommen sie im Mai eine gute Ausrüstung an die Hand. Gemeinsam mit Christoph bereite ich mein Notebook ( HP G5000) für die Nutzung auf. Hier ist vor allem die Benutzeroberfläche meines Bruders von großem Interesse. Aktuell informiere ich mich über Sicherheitseinstellungen, Sicheres Surfen von Kindern im Netz sowie die Kindersicherungseinstellungen bei Google und was man den beiden sonst noch so auf den Weg gibt, damit sie in der digitalen Welt zu Recht kommen.

Es ist eine Herausforderung: Für mich ist die Nutzung des Webs eine Selbstverständlichkeit, der Umgang mit meinen Daten oder das Nutzen sozialer Netzwerke und das Recherchieren und Beurteilen von Quellen im Netz. Es ist eine Menge an Rüstzeug, was die beiden sich aneignen müssen, um in der digitalen Welt zu Recht zu kommen. Bei all meinen Vorbereitung habe ich für mich festgestellt, dass wir ganz schön verwöhnt sind und man sich eine Welt ohne Internet kaum noch vorstellen kann. Nutzt du noch einen herkömmlichen Straßenatlas, um von A nach B zu kommen? Wie viele handgeschriebene Briefe/Postkarten schreibst du noch? oder Beim Kauf eines Produktes – wie viele Fachgeschäfte befragst du? 

Wie dem auch sei, ich freue mich die beiden in die digitale Welt zu begleiten, aber habe auch die Erkenntnis gewonnen, dass das Leben mit dem Internet nicht alles ist, sonst würden auf bestimmten Ebenen andere Entscheidungen gefällt. Wer bezahlt den Luxus und den Zugang zu der digitalen (Bildungs)-Welt?

 

6 Kommentare zu „Wie viel darf Bildung kosten?“

  1. Ich sehe das so, dass wir uns es schlicht nicht erlauben können, diejenigen von Bildung und vom Internet oder auch vom Studium auszuschließen, die es sich nicht leisten können. Ständig heißt es, Deutschland brauche gut ausgebildeten Nachwuchs.

  2. Sind es die „neuen“ Medien, die das Ganze schwierig machen oder ist es im Allgemeinen das Problem der finanziellen Schere, die immer weiter aufgeht? Wenn es nicht die Computer wären, die fehlten, wären es „Der Brockhaus“, „Die Schreibmaschine“, „Der Pelikan-Tuschkasten“ etc.

    Natürlich gebe ich Dir Recht, dass es nicht gut ist, wenn Kinder aus Familien mit wenig Geld nicht in der Lage sind, die Lernmittel, die für die Schule benötigt werden, zu finanzieren. Grundsätzlich gibt es in SH eine Lernmittelfreiheit – auf dem Papier…

    Ich finde es sehr gut, dass Du Deine Familie unterstützt!

  3. Digitales Lehren sollte nicht grundsätzlich scheitern, weil kein Geld da ist. Egal ob es nun das fehlende Geld in Familien ist oder ob es die leeren Kassen der Schulen betrifft.
    Der Umfang und die Ausprägung digitalen Lehrens kann sozialverträglich gestaltet werden.

    Hierfür gibt es einige Steuerungsinstrumente:
    – BYOD statt iPad-Klassen – auch mit (einfachen) Smartphones lassen sich schon einige digital unterstützte Unterrichtsszenarien umsetzen

    – Leihgeräte der Schule – nicht für jeden Schüler aber zumindest zur kurzzeitigen Ausstattung der gerätelosen Schüler bei BYOD-Unterrichtsszenarien

    – Mit einigen, wenigen Rechnern ausgestattete Selbstlernzentren in Schulen zur Erledigung von online-Hausaufgaben (besonders in Ganztagsschulen geeignet)

    – Sollten tatsächlich schülereigene Geräte angeschafft werden, können Familien mit Finanzierungsvereinbarungen (Ansparkonzepte/ Leasingkonzepte) und Härtefallregelungen (z. B. finanziert durch Fördervereine oder Sponsoren) zumindest ein wenig geringer belastet werden.

    Keines dieser Steuerungsinstrumente stellt für sich die Lösung dar. Außerdem ist auch keines von ihnen umsonst zu haben – immer muss Geld investiert werden, jedoch verteilt auf mehrere Finanzierer. In ihrer Gesamtheit schaffen diese Instrumente ein für die meisten Schulen/Eltern finanzierbares Umfeld in dem digitales Lehren und Lernen möglich ist.

    Die Alternativen wären entweder finanzstarke Eliten zu bilden, die sich Geräte leisten können oder komplett auf digitales Lehren zu verzichten und die Kluft zwischen gesellschaftlicher Wirklichkeit und schulischer Scheinwelt größer werden zu lassen.

    Beides hielte ich für bedenklich.

  4. Ich sehe es als eine wichtige Aufgabe von Schule, Kinder und Jugendliche bei der Orientierung im WWW zu unterstützen, gerade weil hierbei viele Eltern einfach überfordert sind. Ich merke immer wieder bei vielen Schülern, dass sie zwar alle technischen Raffinessen besitzen, aber deren Bedienung zum Zwecke der Selbstbildung überhaupt nicht mächtig sind. Sie haben einen Laptop, aber noch nie ihr Schreibprogramm genutzt. Sie surfen stundenlang im Netz, sind aber bei Online- Recherchen sehr überfordert. Gerade Kindern aus vielleicht bildungsferneren Schichten sollte diese mediale Bildung zu Gute kommen, denn es eröffnet für sie zahlreiche kostenfreie Möglichkeiten sich unabhängig von ihrem Elternhaus zu informieren und weiterzuentwickeln.Und auch für den weiteren Lebensweg ist es heutzutage unabdingbar wenigstens Grundkenntnisse im Umgang mit dem PC und dem Internet zu besitzen. Zum Thema Finanzierung: Hier sollte von staatlicher Seite definitiv mehr getan werden!!! Ein Studium ist z.B. heute ohne Rechner fast unmöglich, da an vielen Universitäten alles über Elearning- Plattformen organisiert ist. Die Idee der Leihgeräte finde ich sehr gut, so lernen die Schüler gleichzeitig Verantwortung für „Eigentum“ zu übernehmen.

    Einen wichtigen Aspekt möchte ich noch ansprechen: „Work- Life- Balance“. Auch für Lernende allen Alters machen die vielfältigen Angebote des Web 2.0 diesen Spagat nicht unbedingt leichter. Mal eben in der S-Bahn den Vokabeltrainer genutzt, am See ein Script auf dem Laptop lesen, Audiodateien auf dem Weg zur Arbeit- das alles bringt ohne Frage viele Vorteile und steigert die Flexibilität ungemein ABER es wird auch immer schwieriger Lernen und Freizeit im Sinne von entspannen zu trennen. Denn ist fast jeder Lebenslage bleibt es so möglich sich selbst zu optimieren und noch „ein bisschen mehr“ aus der freien Zeit herauszuholen. Doch ist das immer förderlich? Eine Frage, die wohl jeder für sich selbst beantworten muss…

  5. Auf die Frage „Wieviel darf Bildung kosten?“ muss man wohl nachfragen: wen? Den Sachaufwandsträger/Staat oder die Familie? In der Schule oder beim lebenslangen Lernen (siehe Studiengebühren)?
    Die Familie darf die Schule jedenfalls nur so wenig, dass jeder mitmachen kann. Wenn die Schule Geräte verlangt, muss es eine Finanzierung geben. Wenn es die nicht gibt, darf es erstmal keine Geräte und kein großes digitales Lernen geben. Dann muss man mit ein paar schuleigenen Geräten anfangen.

    (So eilig habe ich es mit dem digitalen Lernen selber ja nicht.)

  6. Pingback: E-Learning in Schulen - Finanzierung in Großbritannien - Literatenmelu

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen